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Kriminalpolizei

Der Plötzliche Säuglingstod (Sudden Infant Death - SID) ist der plötzliche und unerwartete Tod eines anscheinend gesunden Säuglings und mit etwa 40 % die häufigste Einzeltodesursache im ersten Lebensjahr.

Der typische Fall

Der Säugling wurde offensichtlich gesund schlafen gelegt. Einige Zeit später - manchmal schon nach ein paar Minuten, manchmal nach Stunden oder erst am nächsten Morgen -  wird das Baby leblos gefunden.  Der Tod tritt lautlos und unerwartet im Schlaf ein.

Besondere Merkmale:

 

  • In ca. 40% der Fälle werden die Kinder extrem nassgeschwitzt aufgefunden.
  • 80 bis 90% der Kinder werden in der Bauchlage aufgefunden.
  • Häufig werden die Säuglinge unter der Bettdecke liegend am Fußende des Bettes oder mit dem Gesicht auf der Matratze liegend gefunden.
  • Gelegentlich sind im Mund und Nasenbereich Nahrungs- oder Flüssigkeitsanhaftungen (insbesondere Blut) zu sehen.

 

Die Eltern sind völlig unvorbereitet mit dem Tod Ihres Säuglings konfrontiert worden. In dieser extremen Situation ist die Reaktion der Eltern sehr unterschiedlich. Das kann sich in vollständiger Fassungslosigkeit, Zornausbrüchen bis zu scheinbarer Unberührtheit äußern. Meist stellen betroffene Eltern sich selbst und anwesenden Polizeibeamten die Frage: "War es unsere Schuld?".

Der Polizeibeamte kann helfen!

Der Plötzliche Säuglingstod ist auch für die Polizeibeamten eine schwere psychische Belastung: sie sind neben den Notärzten und Rettungsassistenten die ersten Zeugen dieser schrecklichen familiären Katastrophe.

Gerade Polizeibeamte kommen bei ihrer Ermittlungsarbeit in einen Rollenkonflikt: Zum einen besteht die Verpflichtung, sehr schnell und sachlich einzuschreiten und zu ermitteln, - das bedeutet Standardfragen und Protokolldeutsch - zum anderen erwarten die betroffenen Eltern Schonung und eine einfühlsame Behandlung. 

Fragen der Beamten nach Bekleidung, Bedeckung und Ernährung des Babys sowie nach anderen Umständen sind für die polizeiliche Arbeit wichtig und gehören unverzichtbar zu den notwendigen Ermittlungen. Eltern in ihrem ersten Schock und in Unkenntnis der polizeilichen Aufgaben können häufig den Sinn dieser Befragung nicht oder nur schwer erkennen. Hinzu kommt, dass der Pflege- und Sorgebereich überprüft und ggfls. fotografiert wird.

 

Dies kann, ohne dass es der Beamte bemerkt oder gar beabsichtigt. bereits vorhandene oder aufkommende, in der Regel unbegründete Schuldgefühle verstärken und zwar unter Umständen sogar so sehr, dass es zu psychischen Erkrankungen der Eltern führt. Um so wichtiger ist es. den Eltern zu erklären. dass die Ermittlungen in erster Linie dazu dienen, die Eltern zu entlasten und nicht zu beschuldigen und dass die Polizeibeamten in dieser Situation die Aufgabe des Anwalts für das Kind einnehmen. So werden die Ermittlungen für die Eltern vielleicht ein wenig erträglicher und verständlicher.

In dieser Situation sollten die Fragen auf ein erforderliches Minimum reduziert werden, da ein Großteil der formalen Angaben sicher auch zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden kann, denn die unmittelbaren 1-2 Stunden nach dem Auffinden des Kindes werden den Eltern für immer in klarer Erinnerung bleiben. Wie sich das Geschehen in dieser Zeit abspielt und wie sie und ihr verstorbenes Kind behandelt werden, wird entscheidend den Trauerbewältigungsprozess mitbestimmen.

Daher ist es sinnvoll, dass die eingesetzten Beamten nicht von “der Leiche“ und “einem Fall“ sprechen, sondern von “Ihrem Kind, Ihrer Tochter, Ihrem Sohn, der/dem Kleinen“ und sich am besten den Namen merken. Gewisse Begriffe wie “Beschlagnahmung der Leiche“, “Freigabe des Leichnams durch den Staatsanwalt“ usw. sollten durch umgangssprachlichere, weichere Formulierungen ersetzt werden wie  z. B. “Ihr Kind wird zur genaueren Untersuchung mitgenommen“.

 

Wichtig ist an dieser Stelle, den Eltern mitzuteilen, wohin das Kind gebracht werden soll und eine Zeitangabe wann die Untersuchungen voraussichtlich abgeschlossen sein werden und die Eltern das Kind zur Bestattung zurückbekommen. So werden sie nicht noch mehr verunsichert und die organisatorischen Aufgaben nach dem Tod werden ihnen nicht unnötig komplizierter gestaltet. Hinzu kommt noch erschwerend, dass das Erscheinen der Polizei bei Außenstehenden Misstrauen wecken und Gerüchte schüren kann.

Mit dem toten Kind sollte mit der gleichen Sensibilität umgegangen werden wie mit einem lebenden, d.h. auch, dass das Kind mit einer Decke bedeckt in einer Tragetasche. einem Kinderwagenoberteil o.ä. transportiert werden sollte. Die Eltern machen sich nämlich im Nachhinein häufig Gedanken, wie und wo es wohl transportiert wurde.

 

Wenn Bettzeug o.ä. mitgenommen werden muss, sollte man den Eltern erklären, dass es dem untersuchenden Pathologen oder Rechtsmediziner bei seinen Untersuchungen hilfreich sein kann. Des weiteren sollten diese Gegenstände nicht ohne vorherige Kontaktaufnahme und Rücksprache den Eltern zurückgebracht werden, denn es kann sein, dass sie diese Dinge gar nicht zurückbekommen wollen.

Neben der dienstlichen Notwendigkeit haben also polizeiliche und rettungsdienstliche Erstmaßnahmen auch eine andere Seite. Die ermittelnden Beamten können dazu beitragen, den betroffenen Familien das Trauern um den Verlust ihres Kindes zu erleichtern. Indem sie die Eltern behutsam an den Tod ihres Babys heranführen und indem sie sich für die Gefühle der Eltern öffnen und ihnen in ihrem ersten Entsetzen und in ihrer Verzweiflung beistehen, geben sie ihnen eine große Hilfe für den schweren Prozess der Trauerarbeit.

 

Die Eltern könnten z.B. gefragt werden, ob sie möchten, dass ein Geistlicher kommt, oder ob ein Familienmitglied oder ein(e) Freund(in) der Eltern benachrichtigt werden soll. Sollten die Eltern Wünsche hinsichtlich des zu beauftragenden Beerdigungsinstitutes äußern, so sind diese nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Es gibt mittlerweile viele Bestatter, die auch als Trauerbegleiter ausgebildet sind.

Besonders wichtig für das gefühlsmäßige Annehmen des Todes und damit Ihr das Trauern ist es, den betroffenen Eltern einen Abschied von ihrem toten Kind zu ermöglichen. Leider wird dies oft nicht gestattet, der Leichnam wird beschlagnahmt, das Kind verlässt sein Zuhause, das Bett bleibt leer, und in vielen Fällen sehen die Eltern ihr Kind nicht mehr. Sie sollten aber genügend Zeit und Ruhe haben, allein oder mit anderen Menschen, die ihnen nahe stehen, von ihrem verstorbenen Kind Abschied zu nehmen, seinen kleinen Körper noch ein letztes Mal zu spüren, bevor es Ihr immer das Haus und die Eltern verlässt.

 

Sätze wie: “Wir lassen Sie jetzt mit Ihrem Kind in diesem Raum allein, damit sie in Ruhe Abschied nehmen können, lassen Sie sich Zeit“ und das anschließende Verlassen des Raumes, bis die Eltern von sich aus meinen, dass “es gut ist“, erleichtern für beide Seiten die Situation. Diese Zeit sollten sich die Kripobeamten in einer solchen Situation einfach nehmen.Abschließend muss noch auf die Bedeutung der Obduktion hingewiesen werden: Erfahrungen mit Eltern belegen, dass die Trauerarbeit wesentlich unterstützt wird, wenn Schuldgefühle und Selbstvorwürfe vermindert werden. Ein klares Obduktionsergebnis trägt dazu bei. Es entlastet die Eltern von eigenen und den Schuldzuweisungen Außenstehender.


entnommen aus: "Informationsbroschüre für den Polizeidienst, GEPS NRW